Was ist Präsentismus?
Von Präsentismus spricht man, wenn Arbeitnehmende trotz gesundheitlicher Probleme ihre Arbeit verrichten, obwohl sie eigentlich arbeitsunfähig wären. Grund dafür kann übertriebenes Pflichtbewusstsein sein, aber auch Angst vor Arbeitsplatzverlust, Lohneinbussen, Bonuskürzung oder Beeinträchtigung der Karrierechancen.
Warum ist Präsentismus ein Problem?
- Wer eigentlich arbeitsunfähig ist, bringt keine volle Leistung mehr.
- Präsentismus kann akute gesundheitliche Probleme verschlimmern und die Genesung verzögern.
- Regelmässiger Präsentismus kann langfristig zu einem Burn-out oder einer chronischen Erkrankung führen.
- Bei ansteckenden Krankheiten besteht die Gefahr, dass weitere Angestellte erkranken.
Konsequenzen für den Arbeitnehmer
Durch Präsentismus verletzt ein Arbeitnehmer grundsätzlich seine Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber. Verschärft Präsentismus die gesundheitlichen Probleme, ist von einer zumindest teilweise selbstverschuldeten Arbeitsunfähigkeit auszugehen. Dies gilt vor allem dann, wenn der Arbeitnehmer klare ärztliche Anordnungen missachtet hat. Inwieweit dies zu einer Kürzung oder einem Wegfall der Lohnfortzahlung führen kann, ist umstritten und wäre im konkreten Fall zu klären. Bei selbstverschuldeter Arbeitsunfähigkeit entfällt unter Umständen auch der Kündigungsschutz.
Wie lässt sich Präsentismus verhindern?
Präsentismus: Pflichten der Arbeitgeber
Arbeitgebende haben eine gesetzliche Fürsorgepflicht. Dazu gehört, dass sie die Gesundheit der Mitarbeitenden schützen und dazu notwendige und angemessene Massnahmen treffen. Insbesondere müssen sie dafür sorgen, dass ein gesundheitlich angeschlagener Mitarbeiter die Gesundheit Dritter nicht gefährdet. Vorgesetzte müssen es daher ansprechen, wenn sie bei einem Mitarbeiter gesundheitliche Beeinträchtigungen feststellen. Offensichtlich kranke Angestellte sind nach Hause oder zum Arzt zu schicken. Arbeitgeber haben diesbezüglich nicht nur ein Weisungsrecht, sondern auch eine Weisungspflicht.
Lässt der Arbeitgeber eine offensichtlich arbeitsunfähige Arbeitnehmerin arbeiten oder drängt er sie sogar dazu, verletzt er seine Fürsorgepflicht und kann schadenersatzpflichtig werden – zum Beispiel wenn die trotz Krankheit arbeitende Mitarbeiterin wegen ihrer Beeinträchtigung verunfallt. Berücksichtigt wird dabei ein allfälliges Mitverschulden der Arbeitnehmerin. So kann ein Arbeitgeber seine Fürsorgepflicht nur wahrnehmen, wenn er vom Präsentismus seiner Angestellten weiss oder hätte wissen müssen. Ob ein Angestellter seine Vorgesetzten darüber informieren muss, wenn er trotz gesundheitlicher Probleme arbeitet, hängt von den Umständen ab. Von einer Informationspflicht ist auszugehen, wenn der Angestellte durch seine Krankheit Dritte – zum Beispiel Kolleginnen oder Kunden – gefährdet oder wenn er selber merkt, dass er seine vertraglichen Pflichten nicht mehr ordnungsgemäss erfüllen kann.