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Wann spricht man von sexueller Belästigung?


Während der Begriff «Mobbing» in keinem Gesetz auftaucht, gibt es für «sexuelle Belästigung» detaillierte gesetzliche Regeln, und zwar im Obligationenrecht (OR), im Gleichstellungsgesetz (GlG) sowie auch im Strafgesetzbuch (StGB).

Art. 4 GlG definiert sexuelle Belästigung als eine Form von Diskriminierung. Und zwar fällt darunter «jedes belästigende Verhalten sexueller Natur oder ein anderes Verhalten aufgrund der Geschlechtszugehörigkeit, das die Würde von Frauen und Männern am Arbeitsplatz beeinträchtigt». Es geht also nicht nur um eindeutig sexuelle Handlungen oder Äusserungen (wie unerwünschte Berührungen, anzügliche Sprüche oder Zeigen pornografischer Bilder), sondern eben auch um «ein anderes Verhalten aufgrund der Geschlechts­zugehörigkeit». Gemeint sind damit etwa allgemein abschätzige Bemerkungen über Frauen. Auch Blondinen- oder Schwulenwitze können darunter fallen.


Flirt, Kompliment oder Belästigung?

Sexuelle Belästigung gibt es somit in den verschiedensten Formen. Entscheidend dafür, ob eine Belästigung vorliegt, ist nicht die Absicht der handelnden Person, sondern wie das Verhalten beim Gegenüber ankommt. Unerwünschtes Verhalten ist zu unterlassen. Dabei ist zu respektieren, dass nicht alle Menschen gleich empfindlich sind. Es ist auch nicht so, dass man je nach Umfeld – etwa als einzige Frau unter Männern, auf dem Bau oder in der Quartierbeiz – eine gröbere Ausdrucksweise akzeptieren muss.


Sexuelle Belästigung – die Pflichten der Arbeitgeber

Arbeitgebende haben eine gesetzliche Fürsorgepflicht. Sie müssen die Persönlichkeit der Angestellten schützen und dazu notwendige und angemessene Massnahmen treffen. Art. 328 OR verpflichtet den Arbeitgeber ausdrücklich, dafür zu sorgen, «dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht sexuell belästigt werden und dass den Opfern von sexuellen Belästigungen keine weiteren Nachteile entstehen». Der Arbeitgeber muss also für ein belästigungsfreies Arbeitsklima sorgen – auch gegen Übergriffe Dritter – und dazu vorbeugende Massnahmen treffen und in konkreten Fällen eingreifen.


Entschädigung für Opfer sexueller Belästigung

Kommt es zu sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, können Arbeitgeber zur Bezahlung einer Entschädigung verurteilt werden, sofern sie nicht nachweisen können, dass sie «Massnahmen getroffen haben, die zur Verhinderung sexueller Belästigungen nach der Erfahrung notwendig und angemessen sind und die ihnen billigerweise zugemutet werden können» (Art. 5 Abs. 3 GlG). Die Entschädigung beträgt maximal sechs Monatslöhne – berechnet auf der Grundlage des schweizerischen Durchschnittslohns (nicht aufgrund des Lohnes der belästigten Person). In schweren Fällen kann zusätzlich eine Genugtuung zugesprochen werden.

In einem konkreten Fall (Zurschaustellen von Fotos mit nackten Frauen, E-Mails mit sexuellem Charakter, im Unternehmen zirkulierende Wette, Mitarbeiterin X werde es nicht lange aushalten), erhielt die betroffene Angestellte eine Entschädigung von 12'000 Franken. Eine wichtige Rolle spielte dabei, dass der Arbeitgeber keine vorbeugenden Massnahmen ergriffen hatte (Bundesgerichtsurteil 4C.289/2006 vom 5. Februar 2007).


Eine Sammlung von Gerichtsurteilen zum Thema «sexuelle Belästigung» (sowie zu anderen Verstössen gegen das Gleichstellungsgesetz) findet sich in einer Online-Datenbank der Fachstellen für Gleichstellung.


Beweislast und Kündigungsschutz

Im Gegensatz zu sonstiger Diskriminierung, die gemäss GlG (Art. 6) nur glaubhaft gemacht werden muss (zum Beispiel Lohndiskriminierung), müssen Betroffene eine sexuelle Belästigung beweisen. Dabei genügt eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Mögliche Beweise sind: sexistische E-Mails oder SMS, Zeugenaussagen, Arztzeugnisse, Protestschreiben an den Belästiger.

Wie bei sonstigen Diskriminierungen gilt auch für Mitarbeitende, die von sexueller Belästigung betroffen sind, der besondere Kündigungsschutz des Gleichstellungsgesetzes. Eine Kündigung während der Dauer eines innerbetrieblichen Beschwerdeverfahrens, eines Schlichtungs- und Gerichtsverfahrens sowie sechs Monate darüber hinaus können sie gerichtlich anfechten.


Sexuelle Belästigung ist strafbar

Das Verfahren nach GlG belangt nicht den Belästiger, sondern zieht den Arbeitgeber wegen Pflichtverletzung zur Rechenschaft. Parallel dazu kann das Opfer Strafanzeige gegen den Belästiger einreichen. Sexualdelikte sind in Art. 187 bis 200 StGB geregelt.