Wann spricht man von sexueller Belästigung?
Während der Begriff «Mobbing» in keinem Gesetz auftaucht, gibt es für «sexuelle Belästigung» detaillierte gesetzliche Regeln, und zwar im Obligationenrecht (OR), im Gleichstellungsgesetz (GlG) sowie auch im Strafgesetzbuch (StGB).
Flirt, Kompliment oder Belästigung?
Sexuelle Belästigung – die Pflichten der Arbeitgeber
Arbeitgebende haben eine gesetzliche Fürsorgepflicht. Sie müssen die Persönlichkeit der Angestellten schützen und dazu notwendige und angemessene Massnahmen treffen. Art. 328 OR verpflichtet den Arbeitgeber ausdrücklich, dafür zu sorgen, «dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht sexuell belästigt werden und dass den Opfern von sexuellen Belästigungen keine weiteren Nachteile entstehen». Der Arbeitgeber muss also für ein belästigungsfreies Arbeitsklima sorgen – auch gegen Übergriffe Dritter – und dazu vorbeugende Massnahmen treffen und in konkreten Fällen eingreifen.
Entschädigung für Opfer sexueller Belästigung
Kommt es zu sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, können Arbeitgeber zur Bezahlung einer Entschädigung verurteilt werden, sofern sie nicht nachweisen können, dass sie «Massnahmen getroffen haben, die zur Verhinderung sexueller Belästigungen nach der Erfahrung notwendig und angemessen sind und die ihnen billigerweise zugemutet werden können» (Art. 5 Abs. 3 GlG). Die Entschädigung beträgt maximal sechs Monatslöhne – berechnet auf der Grundlage des schweizerischen Durchschnittslohns (nicht aufgrund des Lohnes der belästigten Person). In schweren Fällen kann zusätzlich eine Genugtuung zugesprochen werden.
In einem konkreten Fall (Zurschaustellen von Fotos mit nackten Frauen, E-Mails mit sexuellem Charakter, im Unternehmen zirkulierende Wette, Mitarbeiterin X werde es nicht lange aushalten), erhielt die betroffene Angestellte eine Entschädigung von 12'000 Franken. Eine wichtige Rolle spielte dabei, dass der Arbeitgeber keine vorbeugenden Massnahmen ergriffen hatte (Bundesgerichtsurteil 4C.289/2006 vom 5. Februar 2007).
Eine Sammlung von Gerichtsurteilen zum Thema «sexuelle Belästigung» (sowie zu anderen Verstössen gegen das Gleichstellungsgesetz) findet sich in einer Online-Datenbank der Fachstellen für Gleichstellung.
Beweislast und Kündigungsschutz
Im Gegensatz zu sonstiger Diskriminierung, die gemäss GlG (Art. 6) nur glaubhaft gemacht werden muss (zum Beispiel Lohndiskriminierung), müssen Betroffene eine sexuelle Belästigung beweisen. Dabei genügt eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Mögliche Beweise sind: sexistische E-Mails oder SMS, Zeugenaussagen, Arztzeugnisse, Protestschreiben an den Belästiger.
Wie bei sonstigen Diskriminierungen gilt auch für Mitarbeitende, die von sexueller Belästigung betroffen sind, der besondere Kündigungsschutz des Gleichstellungsgesetzes. Eine Kündigung während der Dauer eines innerbetrieblichen Beschwerdeverfahrens, eines Schlichtungs- und Gerichtsverfahrens sowie sechs Monate darüber hinaus können sie gerichtlich anfechten.
Sexuelle Belästigung ist strafbar
Das Verfahren nach GlG belangt nicht den Belästiger, sondern zieht den Arbeitgeber wegen Pflichtverletzung zur Rechenschaft. Parallel dazu kann das Opfer Strafanzeige gegen den Belästiger einreichen. Sexualdelikte sind in Art. 187 bis 200 StGB geregelt.