Gryps besucht innovative KMU – Teil 7: Ein «KMU-Tinder» für Lernende – wie Jomb den Bildungssektor aufmischt

Die Tech-Plattform Jomb bringt talentierte Lernende und passende Firmen zusammen. Co-Gründer Mathias Teber sagt im Gespräch mit Gryps: «Liebe KMU, öffnet eure Augen! Die Generation Z ist hochtalentiert.»

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Den Fachkräftemangel mit Technologie beheben? Die Plattform Jomb vermittelt Lernende und KMU. (Bild: LinkedIn/Jomb)

Rund 10’000 Lehrstellen konnten dieses Jahr in der Schweiz nicht besetzt werden. Trotzdem sagt Mathias Teber, einer der Gründer von Jomb: «Es gibt keinen Fachkräftemangel. Vielmehr ist es so, dass sich passende Betriebe und geeignete Menschen viel zu selten finden.» Hier setzt Jomb an, eine neue digitale Vermittlungsplattform für Lernende und Ausbildner.

Weil ich besser verstehen will, wie dieses Tinder für die Berufslehre funktioniert, treffe ich Teber am Seilergraben in Zürich. Wir trinken unseren Kaffee in einem Raum, der bis vor wenigen Monaten noch ein verstaubtes, grösstenteils ungenutztes Archiv war. «Als wir realisierten, dass wir 90 Prozent der Dokumente gar nicht mehr anfassen, haben wir das Archiv kurzerhand eliminiert und hier völlig neue Büroräume hochgezogen.»

Der radikale Umbau passt zur Aufbruchstimmung bei berufsbildner.ch. Teber fing im April 2022 beim Kompetenzzentrum an, das seit mehr als 20 Jahren Aus- und Weiterbildungen im Bereich Berufsbildung anbietet. Gemeinsam mit Jonas Schwertfeger sollte er die Digitalisierung vorantreiben und ein neues Geschäftsfeld aufbauen. Kurz nach dem Start entwickelten Teber, Schwertfeger sowie Bianka König zudem die Idee für Jomb: weil der Fachkräftemangel nach innovativen Ideen ruft.

Talent-Sharing für die Berufslehre

Mathias Teber redet eloquent und leidenschaftlich, man spürt seinen Enthusiasmus bei jedem Satz. Er erzählt: «Bevor wir Jomb gründeten, fragten wir uns, wie wir KMU dazu bringen können, neue Ausbildungsplätze zu schaffen.» Die Antwort: Talent-Sharing. Viele Firmen würden liebend gerne Lernende ausbilden, aber sie tun es nicht – weil die Ressourcen fehlen. Oft schafft es ein einzelnes KMU nicht, die ganze Bandbreite eines Berufs in der Praxis auszubilden.

Unternehmen haben nun dank dieser Plattform die Möglichkeit, nur einen Teil der Ausbildung zu übernehmen, beispielsweise während eines Jahres. Anschliessend zieht der oder die Lernende weiter zu einer anderen Firma. Im ersten Jahr wurden ausschliesslich Lehrstellen für Mediamatiker vermittelt, weitere Berufe folgen.

Aber nicht nur interessierte KMU bewerben sich bei Jomb, sondern auch die Lernenden: «Sie sind bei uns angestellt, zu ganz normalen Bedingungen und einem marktüblichen Lehrlingslohn», sagt Teber. «Auf der anderen Seite bezahlen Firmen, die einen Ausbildungsplatz anbieten, ein jährliches Honorar an Jomb.»

«Wir begleiten die Lernenden nicht nur als Berufsbildner, sondern auch als Coaches und Mentoren. Wir sind immer für sie da, auch bei privaten Problemen.»

Mathias Teber, Co-Gründer von Jomb

Die Kommunikation im Dreieck zwischen Lernenden, Lehrbetrieb und Jomb läuft kontinuierlich über die Plattform, dort werden auch Lernziele definiert und abgeglichen. «Jomb ist die Leitorganisation», präzisiert Teber. «Wir begleiten die Lernenden aber nicht nur als Berufsbildner, sondern auch als Coaches und Mentoren. Wir sind immer für sie da, auch bei privaten Problemen.»

Auch das Hin und Her mit Eltern, Behörden und Berufsfachschulen läuft über Jomb, erzählt er weiter: «Wir kontrollieren zudem laufend die Qualität beim Betrieb. Deshalb kann es durchaus passieren, dass wir die Zusammenarbeit nach einem Jahr schon wieder beenden müssen.»

Fast 500 Bewerbungen für 21 Lehrstellen

Seit Januar 2023 ist die Plattform online, schon im Sommer starteten die ersten Lernenden. Für die Ausbildung als Mediamatiker gab es knapp 500 Bewerbungen, 250 Schülerinnen und Schüler wurden zu einem Schnuppertag eingeladen. Am Ende konnten 21 junge Menschen ihre Lehre bei verschiedenen KMU starten – eine davon bei Jomb.

«Ganz ehrlich, wir mussten nicht viel ins Marketing investieren», freut sich Teber. «Die meisten Bewerbungen kamen auf Empfehlung herein. Schülerinnen und Eltern haben untereinander über Jomb gesprochen, so machte unser Angebot die Runde und wurde immer bekannter.»

Jomb deckt offensichtlich eine Lücke im Bildungssektor: «Wir sind dort aktiv, wo ein Ungleichgewicht herrscht zwischen Angebot und Nachfrage.» Die Ausbildung zum Mediamatiker sei dafür das beste Beispiel: «Es gibt viele junge Menschen, die diese Ausbildung gerne machen würden, aber es gibt zu wenig Firmen, die eine Lehrstelle anbieten.»

Teber skizziert das Vorgehen anhand des fiktiven Charakters Max:

«Max bewirbt sich bei Jomb für eine Lehrstelle als Mediamatiker. Als wir ihn kennenlernen, stellen wir fest, dass er eine besondere Affinität für ICT, für digitales Marketing und für kreative Arbeit hat. Wir schauen dann, dass er beispielsweise im 1. Lehrjahr bei einem IT-Unternehmen einsteigen kann. Im 2. Lehrjahr ist er bei einer Webdesign-Agentur und das 3. Jahr bestreitet er in einer Marketing-Agentur. So werden seine Talente optimal gefördert.»

Es gibt viele Defizite im Bildungssektor, aber …

Der Bildungssektor tut sich schwer mit der Digitalisierung. Der neueste Bericht zur Digitalisierung in der Bildung des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation ortet vor allem drei Problemfelder: Erstens werden die digitalen Kompetenzen der jungen Menschen zu wenig gefördert. Zweitens hinkt der Lehrplan den technologischen Entwicklungen laufend hinterher. Und drittens gibt es noch immer, trotz des Digitalisierungsschubs während der Coronakrise, zu viele Präsenzveranstaltungen.

«Es ist ein zweischneidiges Schwert», gibt Teber zu. «Berufsbildung ist ein sensitiver Sektor.» Einerseits passierten hier Fortschritte viel zu zögerlich, andererseits brauche es aber auch zwingend Regularien. Die Qualität der Ausbildung stehe über allem.

Eine neue Lehre, die KMU fit für die digitale Zukunft macht

Als positives Beispiel nennt er den neu entwickelten Ausbildungsberuf «Entwicklerin und Entwickler digitales Business EFZ». Der Wunsch nach dieser Ausbildung wurde von der Privatwirtschaft in die staatlichen Gremien getragen. Ein paar Jahre später steht nun das Angebot: «Jetzt liegt der Ball wieder bei der Wirtschaft», sagt Teber. «Nun ist es an uns, genügend Lehrstellen bereitzustellen.»

Bei dieser neuen Ausbildung handelt es sich um eine Art Wirtschaftsinformatiker auf Stufe Lehrberuf: «Traditionell strukturierte und analytische Arbeit wird verbunden mit digitalen Kompetenzen, beispielsweise im Projektmanagement.» Teber freut sich, dass die Ausbildung ab sofort auch bei Jomb angeboten wird, und attestiert ihr eine «grossartige Zukunft».

Tebers Leidenschaft ist derart ansteckend, am liebsten würde ich mich gleich selbst für diese Ausbildung bewerben. Via Jomb, natürlich.

Innovation heisst auch, sich treu zu bleiben

Den Bildungssektor zu digitalisieren, ist an sich bereits eine Herkulesaufgabe. Ebenso herausfordernd ist es, gleichzeitig ein KMU zu transformieren und ein Startup zu gründen. «Man braucht Mut und Leidenschaft, um Veränderungen anzustossen», sagt Teber. «Und man braucht eine Vision, der man auch in Zeiten des Wandels folgen kann.»

«Man braucht Mut und Leidenschaft, um Veränderungen anzustossen. Und man braucht eine Vision, der man auch in Zeiten des Wandels folgen kann.»

Mathias Teber, Co-Gründer von Jomb

Jomb beispielsweise habe die Vision, den Bildungssektor zu verändern: «Wir bringen Dinge zusammen, die auf den ersten Blick nicht zusammengehören: praxisnahe Ausbildung und Technologie.» Das sei es, was Innovation für ihn bedeute: «Neue Wege zu beschreiten und gleichzeitig seiner Vision treu zu bleiben.»

Wenn man ein Startup gründe oder ein bestehendes Team modernisiere, dann sei die Kommunikation das wichtigste Element: «Bei Transformationsprozessen ist das Tempo sehr hoch. Es ist äusserst anspruchsvoll, in einer solchen Phase die Balance zu finden zwischen zu viel und zu wenig Kommunikation.»

Die Generation Z ist eine «talentierte Generation»

Wir sind schon fast am Ende des Gesprächs angelangt, da wird Teber nochmals so richtig leidenschaftlich. Er bricht ungefragt eine Lanze für die junge Generation: «Ich wünsche mir, dass wir unsere Vorurteile gegenüber der Generation Z abbauen. Alle schreien nach Fachkräften, alle reden von Nachfolgeplanung und Nachwuchsgewinnung. Dabei verfügen wir bei den jungen Menschen genau über solche Nachwuchskräfte. Es wächst eine starke, intelligente, talentierte und neugierige Generation heran.»

Sein Plädoyer richtet sich an die KMU im ganzen Land: «Seid mutig und geht offen auf die junge Generation zu! Den Nachwuchs für die eigene  Branche und die eigene  Firma zu gewinnen, ist ein hochaktuelles Thema, das keinesfalls auf die lange Bank geschoben werden kann.» Natürlich ticke die Generation Z anders als die Älteren, aber sei das nicht immer so gewesen?

«Viele KMU, die diesen Sommer mit uns ins Abenteuer Jomb gestartet sind, schwärmen von den jungen Talenten. Sie sind begeistert davon, was für Fähigkeiten diese 15- und 16-Jährigen mitbringen. Werden diese Fähigkeiten richtig eingesetzt und gefördert, sind sie für jedes Unternehmen eine Bereicherung.»

«Hand aufs Herz: Wer ist verantwortlich für die Erziehung der Generation Z? Es sind dieselben Leute, die heute die Anstellung dieser jungen Fachkräfte verantworten.»

Mathias Teber, Co-Gründer von Jomb

Man lese oft davon, wie schwierig die Generation Z sei  – sie sei faul, verwöhnt, träge und wählerisch. «Doch Hand aufs Herz: Wer ist verantwortlich für die Erziehung dieser Generation? Es sind dieselben Leute, die heute die Anstellung dieser jungen Fachkräfte verantworten.»

Trotzdem gebe es durchaus Herausforderungen, so Teber: «Wir stellen fest, dass viele Jugendliche psychisch vorbelastet sind, weil ihnen das stabile soziale Umfeld fehlt. Zudem ist der Druck, den sich heutige Jugendliche auch selbst auferlegen, enorm. Einige brauchen tatsächlich eine engere Begleitung.» Doch das sei in Ordnung, unterschiedliche Menschen sollten auch unterschiedlich behandelt werden.

Mathias Teber, der Innovator und Unternehmer aus Leidenschaft, schliesst sein Plädoyer mit einem Aufruf zur Offenheit: «Die jungen Menschen von heute haben aussergewöhnliche Fähigkeiten. Diese kommen zum Vorschein, je mehr Vertrauen man ihnen schenkt.»

Über Jomb
  • Gegründet: 2022
  • Gründer: Bianka König, Jonas Schwertfeger und Mathias Teber.
  • Mitarbeitende: 8 plus 21 Lernende
  • Website: jomb.ch

Jomb ermöglicht Unternehmen eine Ausbildung von Lernenden im Rundum-sorglos-Paket. Die Plattform agiert als Vermittler zwischen talentierten Lernenden und interessierten Betrieben. Jomb ist eine Schwestergesellschaft der berufsbildner.ch AG.

Neue Serie: Gryps besucht inno­vative Schweizer KMU

Das ist der siebte Teil der neuen Artikel­serie von Gryps. Wir besuchen ver­schie­dene KMU, um ihr Erfolgs­modell zu ver­stehen. Wie hat sich das Unter­nehmen neu erfunden? Was ist der Business Case? Was sind Chancen und Risiken?

▶ Das war Teil 1: Die Serviceroboter von Arabesque
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▶ Das war Teil 6: Wie das Modelabel Nikin die Balance zwischen Nachhaltigkeit und Wachstum sucht

Nächstes Mal porträtieren wir Okolo, eine Plattform, die KMU bei der Digitalisierung und Automatisierung unterstützt.

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