KMU-Umfrage zum Fachkräftemangel: «Die junge Generation tickt anders, also müssen wir uns anpassen»
Was sind Ursachen und mögliche Lösungen für den Fachkräftemangel in der Schweiz? 71 KMU haben an unserer Umfrage teilgenommen. Das sind die Ergebnisse.
Verfasst von Reto Stauffacher
Viele Firmen müssen Ihre Angestellten mit der Lupe suchen: Was hilft? (Bild erstellt mit der KI von Midjourney)
Die Rekrutierung von neuem Personal ist für viele Unternehmen zu einer riesigen Herausforderung geworden. Insbesondere Stellen in den Sektoren Gesundheit und Pflege, IT, Ingenieurwesen oder Gastronomie sind aktuell sehr schwierig zu besetzen. In einer Umfrage wollten wir herausfinden, warum das so ist und welche möglichen Lösungen es gibt.
Die Ergebnisse im Detail
Mehr als 90 Prozent der Teilnehmenden stufen den Fachkräftemangel als mittleres bis sehr grosses Problem ein:
«Viel Geschrei um nichts. Die Babyboomer gehen in Pension und damit ändert sich auch die wirtschaftliche Umgebung.»Logistik für Stahlindustrie und Gleisbau, 1-10 Beschäftigte
«Es ist bereits auf einer hohen Stufe, jedoch werden keine Massnahmen ergriffen. Bald ist es zu spät dafür.»Bildung & Soziales, 11-50 Beschäftigte
«Mit der Ausbildung alleine ist man noch lange keine Fachkraft. Durch die Automatisierungen wurden viele interessante Jobs eliminiert.»Stahlindustrie, mehr als 100 Beschäftigte
«Die Schulbildung in den Grundschulen und die Leistungsbereitschaft hat sich in den vergangenen 20 Jahren drastisch verschlechtert.»IT-Branche, 11-50 Beschäftigte
«Wir werden vermehrt auf Selbstbedienung setzen müssen und unbediente Verkaufsstellen aufbauen.»Gastronomie, 1-10 Beschäftigte
«Firmen mit positiver Kultur, Führung auf Augenhöhe, Servant Leadership, spannenden Aufgaben, Vertrauen in Mitarbeitende, die gefördert und gefordert werden sowie modernen Anstellungsbedingungen sind erfolgreicher, haben weniger Fluktuation und sind attraktiv als Arbeitgeber.»Dienstleistung, 1-10 Beschäftigte
Weitere Gedanken aus verschiedensten Branchen
Zahlreiche Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben weiterführende und teilweise sehr persönliche Gedanken zum Fachkräftemangel skizziert. Nachfolgend eine Auswahl der Antworten:
«Arbeitgeber stellen zu hohe Ansprüche, wollen nur sparen und dies führt zu Fluktuation und Job-Hopping. Dies war schon immer so, verstärkt sich aber durch wirtschaftliche und politische Unsicherheiten. Arbeitgeber müssen mutiger werden.»Personalvermittlung Bau, 1-10 Beschäftigte
«Die junge Generation tickt anders, also müssen wir uns den Gegebenheiten anpassen.»Museum, 11-50 Beschäftigte
«Qualität kostet Geld, das gilt auch für die Führung. Wenn ein Arbeitgeber nicht bereit ist, Fachpersonal marktgerecht zu bezahlen, dann hat er ein Problem. Dann holt er unerfahrenes und unqualifiziertes Personal, das überfordert ist und Erwartungen nicht erfüllt. Schlussendlich gilt: Man investiert zu wenig und bekommt noch weniger.»Autoindustrie, mehr als 100 Beschäftigte
«Arbeitnehmer haben immer weniger Leistungsambitionen und fordern mehr Lohn sowie luxuriöse Arbeitsbedingungen, ebenso sinkende durchschnittliche Arbeitszeit stehen in krassem Gegensatz zu steigenden Beschaffungs- und Energiekosten, Lieferschwierigkeiten und immer noch hohem Preisdruck.
Fazit wäre die Automation, doch es kann nicht alles automatisiert werden, gerade in unserer Branche nicht. Es braucht Handwerker mit Fachwissen, die mitdenken sowie gute Führungskräfte. In den Schulen und Tagesschulen sowie in der Erziehung wird jedoch immer weniger Leistung und Durchhaltewille gefordert und die jungen Erwachsenen verweichlicht. Andererseits steigen jedoch die Anforderungen und die Komplexität im Arbeitsleben eher an. Viele sind dem nicht mehr gewachsen und werden nicht mehr richtig auf ein selbständiges Leben vorbereitet.»Waffenherstellung, 1-10 Beschäftigte
«Die Generation Z wird ein grosses Problem. Einige wollen Geld, viel Geld für 0 Leistung!»Metallindustrie, mehr als 100 Beschäftigte
«Gesellschaftliches Problem: Wandel von der Leistungsgesellschaft zur Freizeitgesellschaft.»Dienstleistungen Ingenieurwesen, mehr als 100 Beschäftigte
«Viele Berufe sind unterbezahlt, am schlimmsten sind Pflegeberufe. Den letzten Job als Projektleiterin habe ich gekündigt, weil ich von 100% nicht auf 80% reduzieren durfte. Und ausserdem ist die Meeting-Kultur in Schweizer Firmen super schlimm. Ich habe keine Zeit für Meetings den ganzen Tag.»IT-Branche, 1-10 Beschäftigte
«Die Schulbildung in den Grundschulen und die Leistungsbereitschaft hat sich in den vergangenen 20 Jahren drastisch verschlechtert.»IT-Branche, 11-50 Beschäftigte
«Es geht uns zu gut. Es sollte wieder mehr Bereitschaft zu 100%-Tätigkeit vorhanden sein.»Treuhand, 1-10 Beschäftigte
«Viele Unternehmen haben es verpasst, Abläufe zu standardisieren, digitalisieren und automatisieren. Die chaotische Arbeitsweise führt zu Frust und hohen Kosten.»Consulting, 1-10 Beschäftigte
«Der Fachkräftemangel besteht seit sehr vielen Jahren (ca. 15 Jahren) in unserer Branche Kältetechnik. Dabei ist es ersichtlich, dass mit der letzten Schulreform nicht eine bessere schulische Ausbildung der jungen Menschen erreicht wurde und vor allem die Hürden für ein Studium massiv gesenkt wurden - weil die Politik und die schulischen Behörden und Instanzen der Meinung waren, wir müssten den anderen Ländern, wie USA, Italien, Deutschland, Frankreich etc. nacheifern, in denen viel mehr Jugendliche studieren.»Kälte- und Klimatechnik, 11-50 Beschäftigte
«Viel Geschrei um nichts. Die Babyboomer gehen in Pension und damit ändert sich auch die wirtschaftliche Umgebung.»Logistik für Stahlindustrie und Gleisbau, 1-10 Beschäftigte
«Es gibt gute Möglichkeiten in der Schweiz, um sich als Fachkraft schulen zu lassen. Die Weiterbildungsmöglichkeiten sind sehr gut und der Markt gibt manchmal auch eine Chance, sich hochzuarbeiten. Jedoch ist der Ansporn auf günstige, importierte Fachkräfte sehr hoch, weil es den Firmen günstiger kommt, als in eigene, qualifizierte Mitarbeiter zu investieren.»Finanzbranche, 1-10 Beschäftigte
«Es gibt so viele Erwerbslose, die gute Mitarbeiter sind, doch die niemand einstellen will. Nur weil sie nicht studiert haben, oder nicht eine höhere Ausbildung haben.»Verkauf & Kosmetik, 1-10 Beschäftigte
«Das Problem hängt auch an den Management-Dinosauriern in den Unternehmen, die völlig überkommene Vorstellungen vom Arbeiten und Arbeitsleben haben. Würden sie diese ändern, würden sie erkennen, dass sie einen Grossteil ihrer Lebenszeit mit dem Hinaufklettern der Karriereleiter anstatt mit Leben beschäftigt waren. Das gesteht sich niemand gerne ein.»Pharmaindustrie, über 100 Beschäftigte