Künstliche Intelligenz in KMU: «Wer abwartet und es verschläft, wird von anderen überrollt»
Qris Riner ist einer der wichtigsten digitalen Vordenker der Schweiz. Im Gryps-Talk erklärt der Experte, wie künstliche Intelligenz die Arbeitswelt von KMU grundlegend verändern wird.
Verfasst von Loris Gregorio
«Bisher mussten wir immer klein denken und realistisch bleiben. Plötzlich ist sehr viel möglich»: Experte Qris Riner über die Auswirkungen von KI in KMU. (Bild: Gryps)
«Ich glaube, dass künstliche Intelligenz etwas kann, was wir bis jetzt noch nie gesehen haben», sagt Qris Riner. Der Experte ist überzeugt, dass KI unseren Alltag gleichermassen verändern wird wie Smartphones vor ein paar Jahren. Im Gegensatz zu anderen Hypes wie dem Metaverse oder NFTs geht es nun darum, Sprache zu nutzen und so möglichst nahe an anderen Arbeits- oder Lebensprozessen zu sein. Aktuell besteht diese Sprache vor allem in Textform, in Zukunft immer häufiger mit gesprochener Sprache oder sogar in Videos.
Im Gespräch mit Gryps analysiert Qris Riner die acht wichtigsten Thesen zu künstlicher Intelligenz in unserer Arbeitswelt:
These 1: Künstliche Intelligenz wie ChatGPT wird die Google-Suche ersetzen.
Regelmässige ChatGPT-User erhalten ihre Antworten bereits heute von der KI und nicht mehr von Google. Diejenigen, die regelmässig ChatGPT nutzen, verwenden klassische Suchmaschinen bereits 68 Prozent weniger häufig. Doch auch Google schläft nicht. Mit Bard hat die Suchmaschine ebenfalls eine KI, mit der User chatten können.
Künstliche Intelligenz wird zudem Einfluss auf Content Marketing und SEO haben. Firmen stellen ihre Inhalte bereits heute an Suchmaschinen zur Verfügung. In Zukunft sollten sie sich fragen, ob sie den Content auch einer KI anbieten.
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These 2: KMU, die nicht in KI und Digitalisierung investieren, verlieren (fast) alles.
Innovation im Bereich KI hat oft ein bestimmtes Hindernis: Die Leute denken nicht gross genug. Wenn eine KI alles kann – beispielsweise reden, filmen, programmieren, und das zum Nulltarif – ist plötzlich sehr viel möglich. Zuvor mussten KMU immer klein denken und realistisch bleiben.
Unternehmer können sich fragen: Wenn ich alles erreichen kann, was ich will – was will erreichen? Es ist einfacher, vom grossen Gedanken abzuspecken als in kleinen Schritten vorauszudenken.
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These 3: Generative KI revolutioniert zuerst Marketing, Sales und den Kundenservice.
Generative KI wird auf bestimmte Bereiche wie Marketing, Sales und Kundenservice einen riesigen Einfluss haben. Die künstliche Intelligenz wird Menschen aber auch in diesen Branchen nicht ersetzen – ein Beispiel: Stellt ein Kunde eine Anfrage für ein Projekt, möchte er, dass es umgesetzt wird, und zwar nicht nur von KI, sondern von Menschen.
Die Jobs, die in Zukunft mit KI arbeiten, werden in einigen Aspekten einfacher, in anderen aber auch komplexer. Plötzlich kann ein KMU alles aus einer Hand liefern und alles selber machen. Es gibt aber 1'000 Dinge, die man dabei beachten muss.
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These 4: KI wird in sämtlichen digitalen Kanälen und Medien eine entscheidende Rolle spielen.
Menschen werden bald den Unterschied nicht mehr erkennen, ob etwas von einem Menschen oder einer künstlichen Intelligenz geschaffen wurde. Das gilt nicht nur für Text, sondern auch für Ton, Bild und Video. Und die Entwicklung geht so schnell voran, dass wir in zwei Jahren belächeln werden, was wir heute von KI sehen.
Diese Veränderung ist beispielsweise bei Photoshop sichtbar. Das Programm kann Elemente austauschen, die fast nicht mehr als KI erkennbar sind. In dieser Hinsicht sind aber auch Gesetze wichtig, um zu viele Deep Fakes – KI-veränderte Videos, die sehr realistisch wirken – zu verhindern. Europa und die Schweiz gleisen solche Gesetze aktuell auf.
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These 5: Prompt Engineering ist DIE Kernkompetenz der Zukunft.
Ähnlich wie bei einer Google-Suchanfrage beeinflusst die Eingabe bei ChatGPT, was herauskommt. Möglichst viele Kontextinformationen sind wichtig für das Programm. Damit eine KI bestmögliche Antworten gibt, muss ein Nutzer wissen, was er eingeben soll. Um das zu optimieren, braucht es das sogenannte Prompt Engineering.
Für spezifische und gute Antworten ist es empfehlenswert, sich mit Prompt Engineering auseinanderzusetzen. Hier hilft bereits eine Google-Suche oder sich Videos auf Youtube anzuschauen. Und noch einfacher: ChatGPT selbst fragen, wie Prompt Engineering für ChatGPT am besten funktioniert.
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These 6: Viele Jobs werden durch KI ersetzt.
KI wird in Zukunft wohl viele Jobs übernehmen. Studien besagen, dass 400 Millionen Jobs wegrationalisiert werden, es entstehen aber wieder andere Themenbereiche. KI wird wahrscheinlich viele Jobs ersetzen müssen, weil es wegen des Fachkräftemangels gar keine Leute mehr dafür gibt.
Es gibt aber auch Jobs wie Handwerker oder Kindergärtnerinnen, die nicht durch eine KI ersetzt werden. Es könnte auch sein, dass KI anspruchsvollere Jobs wegrationalisiert, wie beispielsweise Banker oder Rechtsanwälte. Momentan geht es weniger darum, dass KI Jobs ersetzt – sondern vielmehr darum, dass KI-Nutzer diejenigen ersetzen, die keine KI nutzen.
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These 7: KI wird viele neue Jobs schaffen.
Trotz Jobs, die verschwinden, wird KI auch viele neue Stellen schaffen. Menschen werden sich in neuen Bereichen spezialisieren. Dies geschah auch bei verschiedenen Prozessen in der Vergangenheit, Beispiele dafür sind die Industrialisierung und die Digitalisierung: In beiden Fällen brach jeweils keine Massenarbeitslosigkeit aus.
Für KMU könnte KI zudem viel Arbeit übernehmen, in der Funktion eines persönlichen Assistenten, der einen grossen Teil der Bedürfnisse abdecken kann. Es braucht aber auch neue KI-Fachleute, die auf eine Branche spezialisiert sind und dort tatsächlich etwas bewirken können.
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These 8: Datenschutz ist die grösste Herausforderung im Umgang mit KI.
Zurzeit gibt es viele grosse Fragen zum Datenschutz. Das hängt auch damit zusammen, dass sich KI-Text- und Bildmodelle im grossen Stil im Internet bedient haben, wo Urheberrechte teils noch ungeklärt sind. Auf Anbieter kommen deshalb wohl viele Prozesslawinen zu.
Datenschutz wird in der künstlichen Intelligenz zwar ein grosses Thema sein, aber nicht das grösste. Vor allem KI-Anbieter müssen sich intensiv damit befassen. Das Thema Datenschutz könnte bei KI die Entwicklung verlangsamen oder zu Rechtsstreitigkeiten führen. Hier lesen Sie, wie Ihr KMU im Datenschutz auf dem neuesten Stand ist.
Aufhalten allerdings wird es ChatGPT & Co. kaum: Denn wenn etwas nützlich ist, dann bleibt es. Und das wird bei KI der Fall sein – ob mit Datenschutzthemen oder ohne.
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Was sollen KMU mit künstlicher Intelligenz jetzt tun? Zwei Empfehlungen des Experten:
- Falls dies bislang nicht der Fall ist, sollten KMU jetzt zu künstlicher Intelligenz greifen. Am besten wäre es, KI täglich zu nutzen. Dabei hilft bereits, einfach mal einen ChatGPT-Account zu erstellen, um die Möglichkeiten zu erkennen.
- Wer abwartet und KI verschläft, wird von anderen überrollt, die diese Chancen nutzen. Wenn sich KMU folgende Fragen stellen, sind sie gut aufgestellt: Was passiert, wenn KI-Services auf mein Geschäft treffen? Was passiert mit unserer Leistung, mit internen Prozessen, mit dem Markt, mit der Konkurrenz und mit den Kunden?