Digital souverän und diversifiziert – so funktioniert eine unkonventionelle IT-Lösung

Die Open Circle AG ermöglicht digitale Souveränität für Schweizer KMU. Was das bedeutet, erklären der Mitgründer Stefan Escher und sein Geschäftspartner Mike Burkart im Interview mit Gryps.

Verfasst von der Gryps-Redaktion

Mann sitzt lächelnd vor dem Laptop und tippt etwas.
«Dazumal dachten neun von zehn potenziellen Kundinnen und Kunden, wir seien Spinner.» – Die Open Circle AG war womöglich die erste Cloud-Anbieterin der Schweiz. (Bild: iStockPhoto)

Stefan Escher, Sie haben das Unternehmen vor mehr als 20 Jahren gegründet. Wie kam es dazu?

Stefan Escher: Ich habe meine Informatik-Ausbildung bei Siemens absolviert. Dort habe ich gesehen, dass Grossunternehmen viel Geld für ihre hoch professionelle IT-Infrastruktur ausgeben können. Gleichzeitig hatte ich viele Kollegen, die in kleinen KMU arbeiteten, deren IT sehr rudimentär, oft ungenügend war. Das wollte ich ändern.

Ich beschloss, eine moderne Cloud-Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, welche sich mehrere KMU teilen und somit leisten konnten.

Kurz darauf entwickelten wir das «Cockpit», ein IT-Administrations-Tool. Es befähigte KMU, die Verwaltung ihrer IT wieder selbst in die Hand zu nehmen. Dadurch schufen wir Transparenz, indem der technische Verantwortliche selbst Benutzer erfassen und Rechte setzen konnte. Das war lange vor der Cloud-Ära, auch Managed Services waren noch nicht weit verbreitet. Ich fand es einleuchtend, IT-Services auszulagern, statt dass jeder vor Ort in seinem kleinen Kämmerchen an der IT bastelt.

Der Gegensatz zwischen grossen und kleinen Unternehmen hat Sie in die Selbstständigkeit getrieben?

Escher: Genau. Vor 20 Jahren war dieser Gegensatz extrem deutlich. Doch nicht die grossen Unternehmen bilden die Realität ab, sondern die kleinen. KMU sind das Rückgrat der Wirtschaft in der Schweiz.

Was ist heute anders als damals?

Escher: Vor zwanzig Jahren war die Zeit des Turnschuh-Informatikers, der von Computer zu Computer lief, um diese zu warten. Dazumal dachten neun von zehn potenziellen Kundinnen und Kunden, wir seien Spinner, weil sie sich nicht vorstellen konnten, dass Daten in einer Cloud sicher gespeichert werden können.  Zwischenzeitlich wurde die Auslagerung der Daten und Applikationen in die Cloud, unter anderem zu Hyperscaler wie Microsoft oder Google, zur Normalität.

Jetzt schlägt das Pendel wieder in eine andere Richtung. KMU wollen sich nicht auf Gedeih und Verderb den Lösungen der Grossunternehmen ausliefern. Eigenständigkeit, Transparenz und folglich die Sicherheit, welche sie in Schweizer IT-Lösungen finden, sind wieder hoch im Kurs.

Porträtbild von Stefan Escher

«Ich verstehe IT als einen ‹Enabler› für Menschen. Wer die richtigen Geräte und Tools zur Hand hat, kann etwas bewirken.»

Stefan Escher, Mitgründer und CEO von Open Circle

Mike Burkart, Sie sind ebenfalls fast von Anfang an dabei. Wie würden Sie die Anfänge der Firma beschreiben?

Burkart: Stef und ich kennen uns seit unserer Ausbildung. Da wir die gleichen Interessen verfolgt haben, kamen wir ins Gespräch. Stef war immer ein Visionär, der eine klare Vorstellung davon hatte, wie IT in der Zukunft funktionieren sollte. Viele Mitarbeitende sind wegen dieser innovativen Kultur seit Jahren bei uns.

Stefan Escher, was ist Ihre Vision von IT?

Escher: In meiner IT-Vision arbeiten die Anwenderinnen und Anwender eigenständig und glücklich mit unabhängigen Schweizer IT-Lösungen. Ich verstehe IT als einen «Enabler» für Menschen. Wer die richtigen Geräte und Tools zur Hand hat, kann effizient arbeiten und etwas für die Gesellschaft bewirken.

Wann merken Unternehmen, dass sie Sie brauchen?

Escher: Dafür gibt es verschiedene Gründe. Wenn beispielsweise IT-Verantwortliche das Unternehmen verlassen, Sicherheitsprobleme auftreten, neue regulatorische Anforderungen aufkommen oder sich der CEO auf sein Kerngeschäft statt auf die IT konzentrieren will, finden KMU den Weg zu uns.

Auch Firmen, deren IT das Ende des Lebenszyklus erreicht hat, kommen für eine Totalerneuerung auf uns zu. Ausserdem wollen immer mehr Firmen die Abhängigkeit zu den Hyperscalern minimieren und brauchen einen Schweizer IT-Lösungsanbieter.

KMU können die gesamte IT an Sie auslagern?

Escher: Ja, wir bieten die komplette IT-Grundinfrastruktur an. Vom verwalteten Arbeitsplatz, über virtuelle Server für bspw. Fachanwendungen oder Datenbanken bis hin zur Telefonie und dem Passwort-Manager. Alle Lösungen bieten wir in Form von Managed Services und mit 7x24 Support.

Wie schaffen Sie es, neue Kunden von Ihrer Lösung zu überzeugen?

Burkart: Der Trend, weg von Hyperscalern, unterstützt unsere IT-Strategie. Immer mehr Unternehmen erkennen die Risiken und Nachteile, die mit einer ausschliesslichen Abhängigkeit von den grossen Cloud-Anbietern einhergehen.

Zudem ist ein wesentlicher Vorteil unserer Lösung, dass sie Vendor-Lockin vermeidet und eine hohe Flexibilität auch für zukünftige Anpassungen an sich ändernde Geschäftsanforderungen bietet. Zusätzlich ist es für viele unserer Kunden wichtig, dass ihre Daten sicher und unter ihrer Kontrolle bleiben. Der CLOUD Act (Clarifying Lawful Overseas Use of Data Act) hat Bedenken hinsichtlich der Datensicherheit und der rechtlichen Kontrolle über Daten aufgeworfen. Unsere Lösung gewährleistet die Einhaltung lokaler Datenschutzgesetze.

Sie bezeichnen Ihr Angebot als «unkonventionelle IT-Lösung». Was ist daran unkonventionell?

Escher: Wir arbeiten rigoros mit «Infrastructure as Code». Das bedeutet: Wir beschreiben eine Infrastruktur und können sie dann mehrfach ausrollen. Unsere eingesetzten Komponenten sind mannigfaltig, open source und werden von uns zu effizienten Lösungen zusammengebaut. Bei der Entwicklung eines neuen Produktes bedienen wir uns der aktuellsten und besten Software.

Konventionell wäre es, wenn Sie zum Beispiel nur Produkte von Microsoft vertreiben würden?

Escher: Genau. Für viele Unternehmen ist das vermutlich der einfachste Weg, da Alternativen kaum bekannt sind. Man muss aber bedenken, dass der durchschnittliche KMU-Kunde geografisch und somit auch von gesetzlichen Bestimmungen weit weg von Microsoft oder Google ist.

Porträtbild von Mike Burkart

«Unsere Kundinnen und Kunden sind bei uns, weil sie bei uns sein wollen – und nicht, weil wir sie mit unserer Technologie dazu zwingen, bei uns zu bleiben.»

Mike Burkart, Chief Marketing Officer bei Open Circle

Ein Kernanliegen von Ihnen ist die digitale Souveränität. Was ist damit gemeint?

Burkart: Digitale Souveränität bedeutet für uns, dass die Kunden die Kontrolle über ihre eigenen Daten behalten und wir technologische Unabhängigkeit sowie hohe Sicherheits- und Datenschutzstandards gewährleisten. Zentral ist auch, regulatorische Anforderungen zu erfüllen und Transparenz sowie Kontrolle zu garantieren. Zudem befähigen wir Menschen durch Schulungen zum souveränen Umgang mit digitalen Technologien. Unsere Kundinnen und Kunden sind bei uns, weil sie bei uns sein wollen - und nicht, weil wir sie mit unserer Technologie dazu zwingen, bei uns zu bleiben.

Haben Sie ein Beispiel?

Burkart: Wir verwenden gerne das Bild eines Einheitswalds. Stellen Sie sich vor, ein Wald besteht aus lauter Buchen. Dann taucht ein Käfer auf, der es auf diese Buchen abgesehen hat. Befällt dieser Käfer den Buchenwald, frisst er ihn vollständig weg. In einem Mischwald ist diese Gefahr gebannt.
Dasselbe gilt für die IT: Wenn Sie sämtliche Lösungen bei einem einzigen Hersteller beziehen, dann ist die Gefahr für einen Totalausfall grösser. Wenn IT-Lösungen von verschiedenen Herstellern integriert werden, sind KMU besser aufgestellt. Diesen Ansatz verfolgen wir bei Open Circle, indem wir uns vom Besten auf dem Markt bedienen und das sind in der Regel verschiedene Open Source-Technologien.

Spezialangebot: Kostenlos an Awareness-Schulung teilnehmen

Zur digitalen Souveränität gehört auch die Befähigung von Menschen, sich sicher im digitalen Raum zu bewegen. Darum bietet Open Circle auch IT-Security-Awareness-Webinare an.

Für Leserinnen und Leser von Gryps ist die Teilnahme kostenlos mit dem Code: oc4gryps

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Was sind die wichtigsten Trends? Wo sehen Sie das grösste Potenzial für KMU?

Escher: Ein Trend, der sich weiter verstärken wird, ist das Arbeiten von überall und mit verschiedenen, auch privaten Geräten. Dabei spielt das Smartphone eine zentrale Rolle. Die jüngste Generation erledigt nahezu alles mit dem Handy. Es wird nicht mehr lange dauern, bis wir unser Smartphone am Arbeitsplatz mit Bildschirm, Maus und Drucker verbinden und damit arbeiten. Heutige Smartphones haben bereits so viel Leistung, dass dies problemlos möglich wäre.

Burkart: Um die Sicherheit trotz dieser Veränderung zu gewährleisten, gewinnt das Management der verschiedenen Geräte weiterhin an Bedeutung. Conditional Access und die differenzierte Steuerung der Rechte, abhängig davon, ob man auf einem verwalteten Gerät arbeitet oder nicht, werden immer wichtiger. Ein Beispiel dafür ist das Downloaden von Daten auf nicht gemanagte Geräte, was eingeschränkt werden muss.

Escher: Einen weiteren Trend sehe ich bei sogenannten No-Code- oder Low-Code-Plattformen: Sie ermöglichen es, kleine Anwendungsfälle ohne Programmierkenntnisse zu erstellen. Die Nutzerinnen und Nutzer zeichnen beispielsweise einen Ablauf grafisch auf und lassen ihn dann automatisiert programmieren.

Überraschenderweise haben Sie die Künstliche Intelligenz noch nicht erwähnt …

Escher: Das ist natürlich ein Megatrend. Ich sehe hier vor allem die Möglichkeit, dass Large Language Models digital souverän genutzt werden können. Das bedeutet, dass die KI ausschliesslich intern mit Daten gefüttert und verwendet wird. Das würde die Effizienz in KMU enorm steigern und unsere Wissensgesellschaft optimal unterstützen. Intranets oder interne Wiki-Ablagen würden so der Vergangenheit angehören.

Burkart: Für mich ist die «Explainable AI», kurz X-AI, eine grosse Chance. Hier liefern die Sprachmodelle nicht nur einen Output, sondern sie erklären auch, wie sie zum Ergebnis gelangt sind. Wenn man versteht, wie Algorithmen funktionieren, und so nachvollziehen kann, wie ein Resultat zustande gekommen ist, dann kann man auch kontrollieren, ob das Ergebnis wirklich stimmt. Transparenz ist entscheidend für den langfristigen Erfolg der KI. Gleiches gilt übrigens auch ganz grundsätzlich für die IT. Nicht zuletzt darum haben wir uns der digitalen Souveränität verschrieben.

Über Open CircleOpen Circle mit Sitz in Zürich und Bern entwickelt und betreibt unabhängige und sichere IT-Lösungen in den Bereichen virtuelle Arbeitsplätze, verwaltete Arbeitsplätze, Telefonie, Langzeit-Backup und vielen mehr.

Mit IT-Beratungen, Kompetenzen, Trainings und Webinaren befähigt Open Circle die Kundinnen und Kunden, sicher im digitalen Raum zu agieren und selbstbestimmt Entscheidungen zu treffen.

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