Organhaftpflicht – Privatvermögen von Führungskräften schützen
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Aktualisiert am 16.11.2023
Privatvermögen vor Haftungsklagen schützen
Die Organhaftpflicht- oder D&O-Versicherung (Directors and Officers Liability) schützt das Privatvermögen von Verwaltungsräten und Geschäftsleitungsmitgliedern gegen Haftungsklagen.
Zwar ist das Privatvermögen bei einer GmbH oder AG grundsätzlich von der Haftung des Unternehmens ausgeschlossen. Wenn Führungskräfte ihre Pflicht verletzen, ein Unternehmen verantwortungsvoll zu leiten, haften sie aber trotzdem. Als Entscheidungsträger können sie in diesem Fall persönlich zur Verantwortung gezogen werden und müssen bei Fehlentscheiden mit hohen Bussen rechnen. Die Betriebs- und die Berufshaftpflichtversicherung schützen hier übrigens nicht: Solche Pflichtverletzungen sind explizit ausgeschlossen. Aus diesem Grund gibt es die D&O-Versicherung, die schon viele hochrangige Manager vor dem finanziellen Ruin gerettet hat.
Die Schwelle, bei Streitigkeiten den Rechtsweg zu beschreiten, sinkt auch in der Schweiz immer mehr. Wirtschaftsklagen sind an der Tagesordnung – genauso wie juristische Ermittlungen von Aufsichts- und Kontrollbehörden. Die Gefahr, vor Gericht hohe Bussen einzufahren, besteht zudem nicht nur für Verantwortliche von Grosskonzernen, sondern auch von KMU. In vielen Bereichen sind sie mit den gleichen Vorschriften konfrontiert wie grosse Firmen – haben aber oft nicht dieselben Mittel für einen eigenen Rechtsdienst. Fehlt eine Organhaftpflichtversicherung, sind auch Chefinnen und Chefs kleinerer Firmen allfälligen Klagen schutzlos ausgeliefert.
Wer ist in der Organhaftpflicht versichert?
Eine Organhaftpflichtversicherung schützt die Verwaltungsräte sowie die Geschäftsleitungsmitglieder und die führenden Manager einer GmbH, AG oder Genossenschaft. Aber auch für die Organe eines Vereins oder einer Stiftung kann die D&O-Versicherung interessant sein.
Das Unternehmen schliesst die Organhaftpflichtversicherung für sämtliche Organe ab. Es muss also nicht jede Person für sich einen Versicherungsschutz organisieren. Somit sind auch externe Verwaltungs- und Stiftungsräte versichert. Manche Kaderleute fordern heute einen solchen Versicherungsschutz bei Stellenantritt sogar ein. Versichert sind in der Regel alle früheren, aktuellen und künftigen Mitglieder des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung sowie Personen, die faktisch deren Tätigkeit ausüben.
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Was deckt die Organhaftpflichtversicherung?
Die Organhaftpflichtversicherung bezahlt die Verteidigungskosten bei zivil- und strafrechtlichen Klagen – unabhängig davon, ob die Ansprüche berechtigt sind. Bei berechtigten Ansprüchen kommt sie für die Entschädigung auf – unabhängig davon, ob der Streit durch ein Urteil oder einen aussergerichtlichen Vergleich beendet wurde. Weiter übernimmt die Versicherung in der Regel die Kosten für entstandene Reputationsschäden.
Typische Schadenfälle der D&O-Versicherung
Das grösste Risiko für die Organe eines Unternehmens ist der Konkurs. Mit sogenannten Verantwortlichkeitsklagen versuchen die Gläubiger, ihre Forderungen direkt bei den Leuten einzuklagen, die wichtige Entscheide gefällt haben. Wenn eine Geschäftsführerin beispielsweise nicht alle Massnahmen eingeleitet hat, um den drohenden Konkurs abzuwenden, kann das Grund genug zur Klage sein. Für daraus entstandene finanzielle Schäden muss sie dann allenfalls mit ihrem Privatvermögen geradestehen.
Weitere Anlässe für Klagen im D&O-Bereich sind:
- Mangelhafte Kontrolle
- Missachtung von Gesetzen
- Unsorgfältig durchgeführte Fusionen, Käufe oder Verkäufe
- Börsengänge
- Falsche Gewinnprognosen
Wie lange Führungskräfte noch mit Schuldzuweisungen leben müssen, zeigt das Beispiel der Swissair eindrücklich. Nach dem Grounding mussten sich 29 ehemalige Organe während 20 Jahren immer wieder vor Gericht verantworten. Erst im Jahr 2020 haben sich die Konfliktparteien mit einem Vergleich endgültig geeinigt. Die Ex-Manager beziehungsweise deren Versicherer zahlten den Geschädigten zusammen eine Summe von 2,75 Millionen Franken.
Wann besteht Versicherungsschutz?
Der zeitliche Geltungsbereich ist bei der Organhaftpflichtversicherung besonders wichtig, da Versäumnisse oder Fehlentscheide unter Umständen erst Jahre später ans Licht kommen. Er ist versicherungstechnisch auch einer der grossen Knackpunkte: Der Schadenfall muss in die Zeitperiode der Police fallen, damit die Versicherung bezahlt. Aus Sicht des Versicherers ist ein Schadenfall dann eingetreten, wenn zum ersten Mal ein Anspruch geltend gemacht wird (Anspruchserhebungsprinzip). Die eigentliche Pflichtverletzung hat aber unter Umständen früher stattgefunden.
Pflichtverletzungen vor Abschluss der Police
Ansprüche aus Pflichtverletzungen, die vor dem Abschluss einer D&O-Police vorgefallen sind, bezahlt die Versicherung teilweise als «Vorrisiko». Sie sind in der Regel dann versichert, wenn die versicherte Person vor dem Vertragsabschluss keine Kenntnis von der Pflichtverletzung hatte – und auch keine Kenntnis hätte haben können – und wenn der Anspruch dann innerhalb der Vertragslaufzeit geltend gemacht wird.
Ansprüche nach Ablauf der Police
Für Ansprüche, die nach Ablauf eines Versicherungsvertrags entstehen, gibt es Nachdeckungen. Die meisten Versicherer sehen für ein Jahr eine automatische, prämienfreie Nachversicherung vor. Für eine weitergehende Nachdeckung von bis zu zehn Jahren verlangen sie eine Prämie. Dies ist insbesondere für ausscheidende Managerinnen und Manager entscheidend, da sie sonst unter Umständen in eine Deckungslücke fallen.
Was kostet eine Organhaftpflichtversicherung?
Wie bei den meisten Versicherungen gibt es auch bei der Organhaftpflichtversicherung beträchtliche Unterschiede in der Preisgestaltung. Aufgrund der zunehmenden Schadenausmasse sind die Prämien in den letzten Jahren – bei sinkenden Deckungslimiten – tendenziell gestiegen. Wie bei allen Haftpflichtfällen gilt auch bei D&O: Wenn ein Schadenfall eintritt, kann er exorbitante Summen nach sich ziehen. Im Verhältnis dazu sind die Prämien nach wie vor moderat.
Bei D&O-Versicherungen kann sich nicht nur die Prämie an sich, sondern vor allem das Deckungsangebot stark unterscheiden. Manchmal bekommt man die gewünschte Versicherungssumme gar nicht oder ist durch andere Einschränkungen in den AVB schlechter versichert. Start-ups finden üblicherweise erst eine Versicherung, wenn sie drei Jahre tätig gewesen sind und Gewinn machen. Die Prämien sind für diese Betriebe höher und die Deckungssummen tiefer.
So vermeiden Sie Deckungslücken
Wenn Sie eine Fusion ins Auge fassen, eine Tochtergesellschaft kaufen oder Ihren bestehenden D&O-Versicherer wechseln wollen, sollten Sie Ihren Versicherungsschutz sorgfältig prüfen. In den AVB der jeweiligen Versicherung erfahren Sie, was bei Fusionen und Zukäufen gilt. Welchen Versicherungsschutz hat das Unternehmen, das Sie übernehmen oder zu dem Sie künftig gehören? Wie sind Pflichtverletzungen versichert, die Ihre Organe vor der Fusion zu verantworten haben, und wie sieht der Schutz nach der Fusion aus?
Überprüfen Sie unter anderem, ob das Anspruchserhebungsprinzip oder ein anderer zeitlicher Geltungsbereich vorgesehen ist. Auch der Umfang der Vor- und Nachdeckung ist bei einem Wechsel entscheidend.
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Autor/-innen und Expert/-innen: Rahel Lüönd, Oliver Odermatt