Richtig reagieren im Schadenfall
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Aktualisiert am 14.11.2023
Schaden passiert – wie weiter?
Ein Schadenfall ist immer mühsam und bringt zahlreiche Aufgaben mit sich, die schnell erledigt werden sollten. Zu schnelles Handeln kann aber heikel sein und zur Ablehnung eines Schadenfalls durch den Versicherer führen. Hier erfahren Sie, wann Sie wie reagieren sollten.
Ganz generell gilt: Bewahren Sie ruhig Blut und nehmen Sie Schritt für Schritt in Angriff. Wenn Sie die folgenden Regeln kennen, passiert Ihnen im Fall der Fälle kein Fehler – und Sie erhalten für Ihre regelmässigen Prämienzahlungen die vereinbarte Gegenleistung.
Das gilt in jedem Schadenfall
Es ist zwar nicht jeder Schadenfall gleich, der Prozess läuft aber doch recht ähnlich ab. Versicherungstechnisch ist dies der korrekte Ablauf nach einem Schadenfall: Sofortmassnahmen einleiten – Meldung erstatten – Einverständnis abwarten – Überblick behalten.
Sofortmassnahmen einleiten
Wenn der Schadenfall gerade passiert ist, sollten Sie als Erstes prüfen, ob Sie das Ausmass verkleinern können. Treffen Sie unbedingt alle Sofortmassnahmen, um weitere Schäden zu verhindern. Dringt beispielsweise aufgrund anhaltend starker Regenfälle Wasser in Ihren Betrieb, sollten Sie Mobiliar und kleinere Maschinen nach Möglichkeit ins Trockene bringen. In den Allgemeinen Versicherungsbedingungen steht in der Regel, dass der Versicherungsnehmer eine Schadenminderungspflicht hat. Wenn Sie diese ignorieren, drohen Leistungskürzungen.
Rasch Meldung erstatten
Anschliessend ist es ratsam, sich unverzüglich mit dem Versicherer in Verbindung zu setzen. Auch wenn Sie sich eigentlich im Aktionsmodus befinden und den Schaden so rasch wie möglich beheben wollen, um endlich weiterarbeiten zu können.
Wie melden?
Einen Schadenfall können Sie heute unkompliziert telefonisch oder online anmelden. Die meisten Versicherer haben dafür einen eigenen Bereich auf der Website und betreiben gut erreichbare Callcenter.
Beschreiben Sie den Schadenhergang exakt. Dokumentationen, insbesondere Fotos, helfen dabei. Diese Punkte gehören in Ihre Schadenmeldung:
- Wann hat sich der Schadenfall ereignet (Datum und Zeit)?
- Wo ist es passiert?
- Was ist genau vorgefallen (möglichst detailliert)?
- Wer war involviert?
Aber auch Informationen zu allfälligen Fristen und Terminen – etwa die Deadline für einen Kundenauftrag – sowie Kontaktangaben von Dritten, die mit dem Schadenfall in Verbindung stehen, sollten Sie bereithalten. Präzise Angaben und schriftliche Beweismittel sind oft Gold wert. Die Sachbearbeiter Ihres Versicherers werden Ihnen sagen, welche Unterlagen sie in Ihrem Fall benötigen.
Krankheit oder Unfall: Die Zeit drängt
Wenn Mitarbeitende länger krank sind oder einen Unfall hatten, ist der Faktor Zeit wichtig. Körperliche Schäden entwickeln sich oft weiter, können sich verschlimmern und manchmal ist es von entscheidender Bedeutung, wann bestimmte Massnahmen eingeleitet werden, beispielsweise eine Physiotherapie. Auch hier gehört es zu Ihren Obliegenheiten, den Schadenfall sofort zu melden, damit Sie Ihre Ansprüche geltend machen können. Sensibilisieren Sie Ihre Mitarbeitenden, damit diese Ihnen die nötigen Angaben zu Unfällen und Krankheiten möglichst schnell liefern (mehr zur korrekten Unfallmeldung lesen Sie unter «Wenn Mitarbeitende verunfallen»).
Einverständnis abwarten
Es ist verständlich, dass Sie nach einem Schadenfall möglichst schnell zum Courant normal zurückkehren möchten. Trotzdem müssen Sie das Einverständnis des Versicherers abwarten, bevor Sie eine Reparatur oder Wiederherstellungsarbeiten in die Wege leiten. Fragen Sie auch nach, ob weitergehende Massnahmen zur Aufrechterhaltung des Betriebs – beispielsweise die Auslagerung der Produktion – von Ihrer Police gedeckt sind.
Überblick behalten
Die Schadenabteilung bei Ihrem Versicherer hat ein Dokument verlegt, das Sie bereits eingereicht haben. Oder die Buchhaltung fragt wegen einer Zahlung nach. Schadenfälle werden rasch komplex und dauern oft über mehrere Monate, manchmal sogar Jahre. Da ist es schnell passiert, dass Details vergessen gehen. Sie tragen viel zur zügigen Abwicklung bei, wenn Sie von Anfang an gut dokumentiert sind.
Sachschaden: Besichtigung vor Ort ermöglichen
Ein Sachschaden, also beispielsweise eine Beule am Auto, verändert sich nicht mehr wesentlich. Für Sie als versicherte Person ist es wichtig, dass Sie die «Sache» schnell wieder benutzen können. Für den Versicherer hingegen ist zentral, dass er prüfen kann, ob sich der Schaden wirklich wie angegeben zugetragen hat und das Schadenausmass korrekt beziffert ist.
Deshalb gilt bei Sachschäden eine Grundregel ganz besonders: Melden Sie den Schadenfall, bevor Sie die Reparatur in Auftrag geben, und fragen Sie nach, ob jemand den Schaden vor Ort begutachten möchte. So kann eine Expertin vorbeikommen, wenn der Versicherer dies wünscht. Bei einem Diebstahl sollten Sie umgehend die Polizei informieren.
Gerade wenn der Sachschaden einen Vermögensschaden nach sich zieht, beispielsweise einen Betriebsunterbruch, haben alle Beteiligten ein Interesse an einer schnellen Behebung. Die Versicherer zeigen sich bei Sachschäden insgesamt kooperativ, flexibel und kulant. Verhalten Sie sich genauso, das treibt die Abwicklung voran. Eine Handlungsanleitung, wie Sie bei einem Sachschaden am besten vorgehen, finden Sie unter «Gebäude- und Fahrhabeversicherung».
Vermögensschaden: keine Zugeständnisse an Dritte
Bei einem Vermögensschaden, also in einem Haftpflicht- oder Rechtsschutzfall, müssen Sie sich zwingend mit Ihrem Versicherer absprechen, bevor Sie selber zu verhandeln beginnen oder einen Anwalt, eine Anwältin kontaktieren. Besonders wichtig: Machen Sie keine Zugeständnisse an Dritte und leisten Sie keine Zahlungen!
Weitere Informationen zum Vorgehen bei einem Haftpflichtschaden sowie ein Merkblatt zu üblichen Haftpflichtfällen finden Sie unter «Betriebshaftpflicht und Berufshaftpflicht».
Rechtsschutzversicherung: keine vorschnelle Anwaltswahl
Der Rechtsschutzversicherer entscheidet, ob ein Fall mit internen Anwälten geregelt werden kann oder ob Sie eine Kostengutsprache für eine externe Anwältin erhalten. Auch wenn in der Police die freie Anwaltswahl aufgeführt ist, müssen Sie zuerst mit dem Versicherer Kontakt aufnehmen. Denn oft ist mit «freie Anwaltswahl» der Prozessanwalt gemeint, und der Versicherer stellt für die ersten Abklärungen eine eigene Fachperson zur Verfügung. Der frühe Kontakt mit dem Versicherer hilft, Missverständnisse zu vermeiden.
Was tun nach einem Autounfall?
Bewahren Sie das Unfallprotokoll des Versicherers im Auto auf. Es leitet Sie im Schadenfall durch alle wichtigen Fragen. Gerade wenn mehrere Personen beteiligt sind, ist es im Nachhinein schwieriger, den Unfallhergang zu rekonstruieren. Auf dem Protokoll können Sie den Schadenhergang vor Ort detailliert beschreiben und auch Skizzen anfertigen. Es wird anschliessend von allen am Unfall Beteiligten unterzeichnet.
Wenn sich beim Unfall jemand verletzt hat, müssen Sie die Polizei informieren. Bei einem Diebstahl sowie bei einem Zusammenstoss mit einem Wildtier verlangen die Versicherer in der Regel ebenfalls, dass die Polizei vor Ort war (mehr dazu lesen Sie im Artikel «Kasko und Haftpflicht – die Fahrzeugversicherungen»).
Umgang mit einer Cyberattacke
Wenn Sie einen Cyberangriff entdeckt haben, müssen Sie so schnell wie möglich handeln. So können Sie allenfalls weiteren Schaden verhindern. Viele Versicherer haben für diesen Fall eine Hotline eingerichtet, die Sie zu jeder Tages- und Nachtzeit kontaktieren können.
Nach einer Cyberattacke geht es aber nicht nur darum, Ihren eigenen Schaden zu begrenzen, sondern Sie müssen auch Dritte, die möglicherweise zu Schaden gekommen sind, transparent informieren. Nach dem neuen Datenschutzgesetz, das voraussichtlich in der zweiten Hälfte 2022 in Kraft tritt, müssen Sie einen Cybervorfall auch den Behörden melden.
Was Sie nach einer Cyberattacke vorkehren sollten, erfahren Sie detailliert unter «Was ist nach einer Cyberattacke wichtig?».
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Zahlung verweigert – das können Sie tun
Jahrelang haben Sie Prämien bezahlt und jetzt, wo Sie die Versicherung brauchen, lehnt diese Ihren Anspruch ab. Verständlich, dass Sie verärgert sind. Wenn Sie sich wirklich ungerecht behandelt fühlen, bleibt Ihnen der Weg über die Betriebsrechtsschutzversicherung (falls darin auch Versicherungsrecht eingeschlossen ist) oder über die Ombudsstelle.
Betriebsrechtsschutzversicherung
Für den Fall, dass die Versicherung nicht zahlt, gibt es eine Versicherung. Was ein bisschen paradox klingt, ist in der Praxis durchaus üblich. Der Baustein Versicherungsrecht in der Betriebsrechtsschutzversicherung beinhaltet die Vertretung Ihrer Ansprüche gegenüber dem Versicherer. Wenn Interessenkonflikte bestehen – etwa weil Sie beide Policen bei derselben Gesellschaft haben –, vergibt die Rechtsschutzversicherung den Fall üblicherweise extern.
Im Streitfall zur Ombudsstelle
Schadenhöhe, Deckungsumfang, die Frage nach dem Verschulden: Gründe, im Ernstfall mit der Versicherung in einen Zwist zu geraten, gibt es viele. Wer mit dem Versicherer keine Einigung findet, kann sich an den Ombudsman der Privatversicherung und der Suva wenden. Diese Ombudsstelle kümmert sich kostenlos und neutral um Streitigkeiten rund um Versicherungen.
Der Schweizerische Versicherungsverband SVV hat die Ombudsstelle 1972 als Schlichtungsinstanz ins Leben gerufen. Heute gehören ihr alle grösseren Schweizer Privatversicherungen wie auch die Suva an. Auf der Website können Sie eine Liste einsehen, welche Gesellschaften sich der Ombudsstelle angeschlossen haben.
So läuft ein Verfahren vor der Ombudsstelle ab:
- Beschweren Sie sich zuerst beim Versicherer und verlangen Sie eine schriftliche Antwort. Erst wenn Sie keine oder bloss eine unbefriedigende Antwort erhalten haben, wenden Sie sich an die Ombudsstelle.
- Die Meinungsverschiedenheit können Sie der Ombudsstelle vorerst telefonisch schildern: 044 211 30 90. Viele Probleme lassen sich bereits auf diese Weise lösen.
- Wenn die telefonische Abklärung nicht weiterführt, reichen Sie Ihre Beschwerde schriftlich ein. Sie können dafür das Online-Formular oder den Postweg nutzen. Die Ombudsstelle benötigt folgende Unterlagen:
- Ihre Personalien
- Den Namen des Versicherers
- Kurzbeschrieb des Sachverhalts
- Angaben, was Sie mit der Beschwerde erreichen wollen
- Kopie der Versicherungspolice inklusive AVB (bei Auseinandersetzungen mit der Pensionskasse Kopie des Vorsorgeausweises und des Reglements)
- Vollständige Korrespondenz mit dem Versicherer
- Alle wichtigen Unterlagen zum Sachverhalt
- Allfällige Beweismittel oder Zeugenaussagen
- Anschliessend beantwortet die Ombudsstelle Ihre versicherungsrechtlichen Fragen zur Situation und vermittelt im Streitfall zwischen Ihnen und dem Versicherer. Das Ziel ist, dass Sie zu einer aussergerichtlichen Lösung kommen, die für beide Parteien akzeptabel ist.
Autor/-innen und Expert/-innen: Rahel Lüönd, Oliver Odermatt